Warum wir über Geschichte reden sollten. Der etwas andere Jahresrückblick

von katrin
Stapel mit Geschichtsbüchern

Oh man, dieses Jahr 2020 war wirklich nicht einfach. Für niemanden von uns. Wir alle mussten uns einschränken, viel entbehren, mit unseren Ängsten zurecht kommen. Nichts lief dieses Jahr nach Plan, weshalb wir irgendwann aufgehört haben, überhaupt noch welche zu machen.

Ein denkbar ungünstiger Moment, um sich selbständig zu machen.

Anfang diesen Jahres hatte ich endlich nach langem Zaudern und Zögern all meinen Mut zusammengenommen und angefangen, an meinem Traum zu arbeiten. Ein selbst bestimmtes Leben als selbständige Historikerin, mit großen Zielen und einer noch größeren Vision. Damals konnte ich ja noch nicht ahnen, wie 2020 laufen würde.

Mit Anlauf in die Krise

Ich hatte so lange Anlauf genommen, schon während meines Studiums nach Ideen gesucht und mich nach meinem Abschluss tief in Business- und Marketingthemen vergraben. Denn mir war klar, dass der Weg steinig und hart werden würde. Am Know How sollte es zumindest nicht scheitern.

Und dann das. Leider stand in den schlauen Marketingartikeln nichts von einem doofen Virus, der die ganze Welt anhalten würde. Oder wie man als frischgebackene Unternehmerin damit umgehen soll, wenn im eh schon schwierigen ersten Unternehmensjahr einfach nichts normal läuft.

Ich hatte also Anlauf genommen und war mit gehörigem Schwung mitten ins Nichts gesprungen.

Die größte Hürde war ich selbst

Es wäre aber nur die halbe Wahrheit, wenn ich versuchen würde, dieses Jahr mit all seinen Höhen und Tiefen einzig und allein der Pandemie in die Schuhe zu schieben. Klar ist es nicht gerade einfach ein neues Unternehmen zu starten, während Kulturveranstaltungen und Networkingevents verboten sind.

Aber die viel größere Hürde war die in meinem Kopf.

Denn während unsere Kanzlerin uns ins Gewissen redete, dass nur Abstand gerade Ausdruck von Fürsorge sei, feilte ich an meinem Traum Münchnerinnen zusammenzubringen. Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten und Interessierten aufzubauen. Gemeinsam unsere Stadt zu erleben und kennenzulernen. Uns selbst dadurch besser zu verstehen und dabei näher zu kommen.

Auf einem Stadtflaniergang Münchner Geschichte entdecken
Gemeinsam Münchner Geschichte entdecken: 2020 ein rarer Moment

Doch so sehr ich auch an meine eigene Vision glaube: Ich dachte zwischendurch immer wieder, dass ich völlig einen an der Waffel habe. Und das nicht nur einmal. Es fiel mir nicht leicht, den Kerngedanken der Gemeinschaft im Fokus zu behalten, während die Welt um mich herum auf Abstand ging.

Das Resultat waren nicht nur massive Selbstzweifel und die Angst vorm Scheitern. Vor allem habe ich mich nicht getraut von den Dingen zu reden, die mir wirklich wichtig sind.

Der unbedingte Wille die Welt zu hinterfragen

Denn ich bin keine Historikerin geworden, weil ich Jahreszahlen und Biographien spannend finde. Und so sehr kleine Anekdoten und Funfacts aus dem Fundus der Geschichte auch unterhalten können, sie sind für mich nicht die Essenz dessen, was zählt. Ich habe Geschichte studiert, weil ich die Menschheit verstehen will.

Ich will verstehen, wo wir als Gesellschaft herkommen. Wieso die Welt um uns herum so ist, wie sie nun mal ist. Warum München anders ist als Berlin. Warum ich als Frau sooft um meinen Platz in der Welt kämpfen muss. Oder warum ein Virus uns im 21. Jahrhundert als Gesellschaft derart zu erschüttern vermag. Ob du es glaubst, oder nicht: Hinter jeder dieser Fragen steckt auch eine historische Antwort. Der geschichtliche Blickwinkel ist dabei einer von vielen, aber es ist vor allem der, den ich beisteuern kann.

Der unbedingte Wille alles zu hinterfragen, ist einer meiner charakteristischsten Wesenszüge. Denn ich möchte die Welt, in der ich lebe, begreifen. Dieser Wunsch ist so tief in mir verankert, dass er einen großen Teil von mir ausmacht. Und genau darum fällt es mir so schwer, darüber zu sprechen.

Über die Themen reden, die mir wichtig sind: Wie hier über das deutsch-jüdische Erbe im Déjà-Vu Geschichte Podcast
Über die Themen reden, die mir wichtig sind: Wie hier über das deutsch-jüdische Erbe im Déjà-Vu Geschichte Podcast

Dabei möchte ich meine Gedanken so gern mit dir teilen. Den Mut haben über diese Dinge zu reden. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir auch uns selbst besser verstehen, sobald wir anfangen unsere Umwelt zu begreifen. Sowohl das Individuum als auch die Gemeinschaft, in der wir leben.

Warum wir über Geschichte reden müssen

Ich glaube nicht, dass ich noch einmal betonen muss, wieso das bedeutsam ist. Dass gesellschaftlicher Zusammenhalt und gegenseitiges Verständnis wichtig ist, hat uns das vergangene Jahr mehr als eindrucksvoll gelehrt.

Und auch wenn es uns langsam immer schwerer fällt, unsere individuellen Bedürfnisse zurückzustecken und weiter am Gemeinschaftsgedanken festzuhalten, ist es nach wie vor entscheidend. Ob ein anderer Weg besser gewesen wäre, können wir nicht wissen. Fest steht, es ist der einzige Weg, den wir gerade haben. Und darum müssen wir ihn auch bis zum Ende gehen.

Ich glaube fest an die Stärke von Zusammenhalt und Gemeinschaft. Und ich glaube auch, dass sie vor allem dann funktionieren kann, wenn jeder seinen individuellen Beitrag dazu leistet. Mein Auftrag als Historikerin kann dabei sein, Geschehnissen Kontext zu geben, die richtigen Fragen zu stellen und eine Gesellschaft sich über ihre Geschichte selbst näher zu bringen. Diese Aufgabe habe ich zeitweise nicht so ernst genommen, wie ich es hätte tun sollen.

Ich habe mich zu oft hinter netten Anekdoten und kulturhistorischen Spielerein versteckt, anstatt über die Dinge zu sprechen, die mir wirklich am Herzen liegen. Mein Vorsatz für 2021 lautet daher ganz eindeutig: Lass uns nicht nur über Geschichte reden. Lass uns über uns reden.

Übrigens: Ich wollte nicht bis 2021 warten und habe jetzt schon angefangen meinen Vorsatz umzusetzen. Denn seit dieser Woche ist mein Podcastprojekt diridari.fm online. Dort spreche ich mit meinem Podcastkollegen Phil über genau das, was mir wichtig ist: Die Geschichte meiner Heimatstadt München und wie die Stadt zu dem geworden ist, was sie heute ist. Und wir Münchner mit ihr.

Bildnachweis

Beitragsbild: Katrin Schultze-Naumburg

„Gemeinsam Münchner Geschichte entdecken“: Magdalena Possert

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