Geschichte ist langweilig? Wie Vorurteile dein Wachstum ausbremsen

von katrin

„Ich fand Geschichte schon in der Schule so langweilig.“ Könnte der Satz von dir stammen? Von allen Vorurteilen, die ich über Geschichte kenne, ist das wohl das verbreitetste: Geschichte ist langweilig.

Alternativ hätte ich noch verstaubt, trocken oder „nur was für Bücherwürmer“ anzubieten. Vielleicht kommen dir ja auch noch ein paar passende Attribute in den Sinn, die du hinzufügen könntest.

Fest steht jedenfalls: Vorurteile über Geschichte gibt es nicht zu knapp.

Als bekennender Geschichtsnerd bin ich natürlich der Ansicht, dass diese Vorurteile alle ungerechtfertigt sind. In diesem Artikel möchte ich dich aber gar nicht davon überzeugen, dass Geschichte wichtig ist. Oder interessant. Oder sehr lebendig und aktuell. Darüber habe ich hier bereits ausführlich geschrieben.

Heute geht es mir darum, wie du dich mit Vorurteilen deiner eigenen Bildung beraubst – und damit der Möglichkeit zu wachsen.

Bildung bedeutet für mich, dass ich jeden Tag etwas Neues lerne und daran ein kleines bisschen wachse. Wissen kann uns so viele Türen öffnen. Doch leider sorgen Vorurteile oft dafür, dass wir achtlos sagen: „Diese Tür kenn ich schon, die gefällt mir nicht.“ Dann bleiben wir auf dem Gang stehen und werden nie erfahren, was wir hinter der Tür vielleicht entdeckt hätten.

Darum möchte ich dich dazu inspirieren, darüber nachzudenken, wie Vorurteile dich in deinem persönlichen Wachstum ausbremsen. Und wie es dein Leben bereichern könnte, wenn du sie stattdessen in Neugierde und Offenheit verwandelst.

Wir alle sind Opfer unserer Vorurteile

Vorurteile sind ein bisschen wie peinliche Vorlieben. Wir alle haben sie, aber niemand gibt sie gerne zu. Vielleicht sogar am wenigsten vor uns selbst.1

Aber Tatsache ist, dass wir alle welche mit uns herumtragen. Und dass unsere Vorurteile uns jeden Tag von Dingen fernhalten, die uns ungeahnte Erfüllung schenken könnten.

Meine große Schwäche? Meine Vorurteile

Früher hätte ich es vehement geleugnet, aber heute gebe ich es ganz offen zu: Ich bin die Queen der Vorurteile. Darum weiß ich auch, wie oft sie mich in der Vergangenheit schon ausgebremst haben. Und hätte ich es nicht geschafft, meine Vorurteile immer wieder zu überwinden, würde ich einige Dinge in meinem Leben vermissen, die jeden Tag eine Bereicherung sind.

Ich bin ein Mensch mit starken Meinungen – zu eigentlich allem. Und wenn ich eine Meinung einmal gefasst habe, dann ist es nicht so einfach, mich davon wieder abzubringen. So fielen etwa Techno (keine echte Musik), BWLer (alles oberflächliche Schnösel) oder auch Topfpflanzen (ich habe einfach keinen grünen Daumen) lange Zeit meinem vernichtenden (Vor)Urteil zum Opfer.

Das langjährige Opfer meiner Vorurteile: Die Topfpflanze
(Foto von Snow White von Pexels)

Was soll ich sagen? Während ich diese Zeilen tippe, laufen sanfte Electrobeats über meine Kopfhörer. Supertramp bringt mich einfach nicht so gut in den Flow wie pølaroit. Allein in meinem direkten Blickfeld befinden sich mindesten zehn Pflanzen, die ich alle gemäß ihrer idealen Pflegebedürfnisse versorge. Und die tiefgründigsten Gespräche über Philosophie, Weltgeschehen und Psychologie führe ich beim Morgenkaffee mit meinem Freund – der BWL studiert hat.

Inzwischen haben so viele solcher ehemaligen Vorurteile einen festen Platz in meinem Leben, dass ich mit meinen Urteilen sehr vorsichtig geworden bin. Denn ich möchte wirklich nicht mehr ohne elektronische Musik oder Pflanzen leben. Geschweige denn meinen Freund.

Die automatisierte Ablehnung

Doch oft merken wir gar nicht, mit wie vielen Vorurteilen wir durch die Welt laufen. Sie sind uns schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie als Teil unserer Identität betrachten.

Da wurde aus deiner unangenehmen Völkerballerfahrung in der vierten Klasse eine lebenslange Aversion gegen alles, was runde Gegenstände und Bewegung kombiniert. Und der Satz „Ich mag keine Ballsportarten“ kommt dir zwanzig Jahre später dann so automatisch über die Lippen, wie dein Vorname.

Automatismen sind ungemein hilfreich, wenn es um Dinge wie Zähneputzen oder Treppensteigen geht. Wenn sie aber in Verbindung mit der Art und Weise auftreten, wie du die Welt siehst, bremst du dich sehr schnell selber aus. Vor allem dann, wenn deine Sicht auf ein Thema auf einem Vorurteil beruht.

Denn der Automatismus verhindert, dass du deine vorurteilsbehaftete Haltung überhaupt bemerkst – weil du nicht mehr hinterfragst, was du ja schon zu wissen glaubst.

Wie Vorurteile dein Wachstum sabotieren

Immer wieder begegnen mir Menschen, die starke Vorurteile über Bildung verinnerlicht haben. Du kannst vielleicht ohne allzu große Verluste ein Leben ohne Topfpflanzen oder Ballsport führen. Aber wenn deine Vorurteile dich davon abhalten, mit Neugierde und Offenheit die Welt zu ergründen, berauben sie dich einer viel größeren Sache:

Der Möglichkeit, dich weiterzuentwickeln – und in der Folge ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Zwischen Steuererklärung und Wolf of Wallstreet

Mir wäre es beinahe so ergangen. Bis vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine unfassbare Abneigung gegen sämtliche Wirtschaftsthemen.

Wirtschaft und Finanzen siedelte ich irgendwo zwischen Steuererklärung und Wolf of Wallstreet an, ich verband sie also entweder mit tödlicher Langeweile oder zerstörerischer Habgier. Mit dieser Haltung habe ich nicht nur dem vielfältigen und komplexen Themengebiet unrecht getan. Ich hätte mich auch beinahe meiner eigenen Zukunft beraubt.

Denn meine wirklich starken Vorurteile gegen einfach alles, was Wirtschaft und Finanzen betrifft, hielten mich lange Zeit davon ab, einen unternehmerischen Weg einzuschlagen. Die Vorstellung mich mit Marketing und Business auseinandersetzen zu müssen, erfüllte mich mit absolutem Widerwillen. Wer weiß, vielleicht wäre ich irgendwo in einem unerfüllenden Bürojob versickert, hätte ich diese Vorurteile nicht überwunden.

Heute weiß ich: Geld ist ein wichtiges Element unserer Gesellschaft.
(Foto von Rūdolfs Klintsons von Pexels)

Erst mein (überhaupt nicht schnöseliger) BWLer-Freund konnte mich für Wirtschaft interessieren. Durch ihn erkannte ich, dass Geld und Wirtschaft wichtige Elemente unserer Gesellschaft sind. Dass unternehmerisches Denken nichts mit Habgier zu tun hat, dass ohne Finanzpolitik das Weltgeschehen nicht zu begreifen ist und vor allem, dass ich mich durch meine Vorurteile selbst blockierte.

Heute lese ich begeistert Bücher über Marketing, Wirtschaft und Money Mindset. Ich konnte hartnäckige Blockaden rund um das Thema Geld und Erfolg auflösen. Und ich bin inzwischen der festen Überzeugung, dass vor allem uns Frauen noch viele Vorurteile gegenüber Finanzthemen davon abhalten, ein finanziell unabhängiges und emanzipiertes Leben zu führen.

Die blockierenden Glaubenssätze dahinter

Manchmal geht das aber noch tiefer und hinter einem Vorurteil versteckt sich ein blockierender Glaubenssatz. So hingen meine Abneigung gegen Geld und Wirtschaft damit zusammen, dass das Unternehmen meines Vaters unsere Familie zeitweise in starke finanzielle Bedrängnis gebracht hatte.

Dazu kamen meine mäßigen Erfolge im Matheunterricht. Irgendwann hatte sich die Überzeugung in mir gefestigt, dass ich nicht mit Zahlen umgehen kann und Geld familiäres Unglück bringt. Geäußert hat sich das am Ende in der Aussage: „Wirtschaft? Wie langweilig. Damit beschäftigen sich doch bloß oberflächliche und geldgierige Menschen freiwillig.“

Ein Vorurteil, das ich nicht nur aus meinem eigenen Mund schon gehört habe. Und mag sein, dass es wirklich Menschen gibt, die sich lieber mit anderen Dingen beschäftigen. Aber was, wenn du eigentlich ein neugieriger und interessierter Menschen bist, der Wissen aufsaugt wie ein Schwamm? Wenn bestimmte Themen dann Ablehnung hervorrufen, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass mehr dahintersteckt.

Wenn das schlechte Gewissen zuschlägt

Blockierende Glaubenssätze gibt es natürlich viele verschiedene, weil wir alle unsere ganz persönlichen Erfahrungen gemacht haben. Doch was viele eint, ist ein Grundgefühl tief darunter: Scham.2

Vielleicht klingt es im ersten Moment weit hergeholt hier von Scham zu sprechen. Doch so abwegig ist der Gedanke nicht. Unsere Gesellschaft orientiert sich stark an Leistung und Wissen. Wer auf diesen Gebieten nicht messbare Erfolge erzielen kann, fühlt sich möglicherweise als Versagerin. Und Versagen ist ein Gefühl, das unglaublich schambehaftet ist.

Lass dich nicht entmutigen, wenn du etwas noch nicht weißt. Der Wille zum Lernen ist wertvoller als Wissen.
(Foto von cottonbro von Pexels, bearbeitet von mir)

Um wieder auf die Vorurteile gegen Geschichte zurückzukommen: Mir ist aufgefallen, dass es nicht selten gebildete Menschen sind, die sich ablehnend darüber äußern. Die Abwehr hat dann nichts damit zu tun, dass sie Geschichte tatsächlich uninteressant finden. Oft haben sie sogar fachlich einen Bezug zu geschichtlichen Themen, weil sie etwa Literaturwissenschaften oder Kunstgeschichte studiert haben.

Gerade sie plagt aber meist auch ein schlechtes Gewissen, dass es um ihre historische Bildung nicht so gut bestellt ist. Schließlich zählt sie zum Allgemeinwissen und bei Akademikern macht der Bildungshintergrund einen großen Teil ihrer eigenen Identität aus.

Die Angst einen gewissen Bildungsstandard nicht erfüllen zu können, fühlt sich wie Versagen an. Um das beschämende Gefühl nicht spüren zu müssen, verschanzen wir uns hinter Ablehnung und Vorurteilen. Aus „Ich weiß zu wenig über Geschichte“ wird „Geschichte ist langweilig“. Und aus „Ich verstehe nicht, worüber die in den Börsennachrichten reden“ wird „Wirtschaft ist doof“.

Transformiere deine Vorurteile

Ich will an dieser Stelle gar nicht weiter nach möglichen Ursachen für Vorurteile gegenüber Geschichte oder anderen Bildungsthemen suchen. Denn von schlechten Erfahrungen aus der Schule über falsche Vorstellungen bis hin zu Überforderung kann vieles dahinter stecken.

Wo versteckst du dich hinter Vorurteilen?

Wie ich eingangs schon erwähnt habe, möchte ich dich vielmehr dazu inspirieren, darüber nachzudenken, wo du dich auf deinem eigenen Weg blockierst. Dass du dich eine Weile selbst beobachtest und aufmerksam zuhörst, wenn du das nächste Mal sagst: „Das interessiert mich nicht.“

Wenn du den Wirtschaftsteil der Zeitung automatisch aussortierst, weil es „noch nie deins war“. Oder du deine Freundin nicht zum Spanischkurs begleitest, weil du schon in der Schule nicht „sprachbegabt“ warst.

Bei Bildung und der Aneignung von Wissen gibt es meiner Ansicht nach keine Begabung. Lernen hat viel mit Offenheit und Neugierde zu tun. Dem Willen, etwas Neues in dein Leben zu lassen. Etwas, das du noch nicht kennst und wovon du am Anfang erst einmal keine Ahnung hast.

Gehe mit deiner Energie

Vielleicht klingt das anstrengend für dich. Aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie viel Energie in einer ablehnenden Haltung steckt? Lernen ist dann anstrengend, wenn wir uns zwingen müssen, wenn wir unrealistische Standards als Messlatte legen oder uns dagegen wehren.

Ich höre so oft den Ausspruch: Du musst deine Vorurteile überwinden. Das klingt unglaublich kräftezehrend! Dabei ist es so viel angenehmer, wenn wir mit und nicht gegen uns und unsere Energie arbeiten.

Vorurteile transformieren
Du hast die Energie bereits in dir. Mit Offenheit kannst du deine Vorurteile in Wachstum transformieren.

Stelle dir vor, was möglich ist, wenn du deine Kraft in eine offene Haltung legst. Wenn du deine Vorurteile und inneren Blockaden transformierst, indem du die abwehrende Energie umlenkst und dich ganz bewusst fragst: Was kann ich hier mitnehmen? Was habe ich zu verlieren? Kann ich etwas Neues lernen?

Vergiss niemals: Du kannst nur gewinnen

Behalte dabei auch immer im Kopf, dass du nur gewinnen kannst. Der Geschichte oder mir kann es im Prinzip egal sein, ob du dich für sie interessierst. (Ist es mir natürlich nicht. Aber mir ist es wichtig, weil ich weiß, wie sehr sie dein Leben bereichern kann.)

Wissen ist immer ein Zugewinn. Egal, was du am Ende für dich mitnimmst, keine Lernerfahrung ist umsonst. Und du weißt vorher nie, welche Erkenntnisse, Chancen und neue Perspektiven sich für dich ergeben könnten.

Meine Vorurteile hätten mich beinahe meine Zukunft gekostet. Und zwar nicht nur, weil ich nicht den Sprung ins Unternehmerinnentum gewagt hätte.

Es wäre mir auch unmöglich, Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen: Als emanzipierte Frau. Als jemand, die selbständig denken und sich eine unabhängige Meinung bilden kann. Und als selbstbestimmtes Mitglied der Gesellschaft, das nicht nur sich selbst versorgt, sondern auch seinen Beitrag für die Gemeinschaft leistet.

Aber vor allem hätte ich aufgehört zu wachsen.

Du möchtest deine Vorurteile in Wissen verwandeln?

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  1. Ich habe wirklich lange gebraucht, bis ich mir selbst eingestehen konnte, dass ich eine seltsame Vorliebe für amerikanische Realityshows alà Aufräumen mit Marie Kondo habe. Das ist einfach entspannender als das Kulturprogramm auf arte. []
  2. Die U.S.-Amerikanische Autorin und Forscherin Brené Brown hat viel über dieses Thema geschrieben und gesprochen []
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